Wildegg,

Entspannter Alltag mit Behinderung und Marte Meo

Vor einiger Zeit hatte ich die Möglichkeit im Procap Magazin einen Artikel über Marte Meo zu verfassen. Diesen Text möchte ich gerne mit euch teilen.

Das Zusammenleben in der Familie, auf Arbeit, in der Gesellschaft ist oft erschwert, wenn Menschen mit einer Beeinträchtigung beteiligt sind. Oft liegt es an der Kommunikation untereinander.

Das habe ich erlebt als Kind mit einer Cerebal Parese, als ich mich oft unverstanden fühlte in der schnellen auf Leistung getrimmten Welt. Ganz nach dem Motto „alle wollen individuell sein – aber wehe man ist anders“. Später in der Partnerschaft, wenn es einfach nicht gelingen will meine „behinderte Welt“ meinem nicht beeinträchtigten Partner zu erklären.

Heute erlebe ich dies als Mutter (immer noch mit Hemiparese) einer Tochter mit cerebraler Tetraparese, wenn ich versuche sie zu verstehen oder ihr etwas beibringen möchte, was einfach nicht gelingen will. Auch Brücken zu bauen zu ihren drei Geschwistern ist immer wieder eine Herausforderung. Immer wieder führen so alltägliche Situationen zu Überforderung und somit zu hoher Belastung im Zusammenleben mit Menschen mit Beeinträchtigungen. Durch meine Arbeit als Sozialpädagogin und den Wunsch, meine Tochter möglichst gut unterstützen zu können, bin ich auf Marte Meo gestossen.

Marte Meo ist ein Entwicklungsunterstützungsprogramm aus dem Autismusbereich, das 1978 von der Holländerin Maria Aarts entwickelt wurde. Die Methode geht davon aus, dass sich jeder Mensch ein Leben lang aus eigener Kraft entwickeln kann. Eltern wie auch Fachkräfte können Menschen mit einer Beeinträchtigung mit einfachen Kommunikationselementen unterstützen und zur Entwicklung anregen. Bereits zwei Minuten tägliche Anwendung von Marte Meo können grosse Fortschritte in Bewegungsabläufen, Kommunikationsmöglichkeiten, Selbstständigkeit, Inklusion und vielem mehr bewirken. Eine kurze Zeit, die in jeden Alltag passt und eine grosse Wirkung haben kann.

Marte Meo wird an eigenen Bildern und Videos erklärt, gecoacht und geübt.

Was anfangs etwas ungewohnt ist, wird rasch zur Routine.

Durch die Bilder können Betroffene kleinste Fortschritte erkennen und sich darüber freuen, was wiederum motiviert und Entwicklung aktiviert.

Mich fasziniert an Marte Meo immer wieder, dass nicht nur meine Tochter sich entspannt entwickeln kann dadurch, sondern dass auch ich als Mutter in Entwicklungsstimmung komme und ich das Zusammenleben mit allen Herausforderungen im Familienalltag geniessen kann. Marte Meo ist Entwicklungszeit und kann bei Kindern genauso gut wirken, wie bei Erwachsenen oder Jugendlichen. Durch die Entspannung und die Achtsamkeit aufeinander, habe ich das Gefühl, für jeden in der Familie genügend Zeit zu haben und mich dabei nicht zu vergessen. Zudem können Marte Meo Anwender oder Therapeuten mit wenigen Elementen Familienmitglieder, Arbeitskollegen oder Schulgspändli miteinander verbinden, so dass Inklusion im Zusammenleben funktioniert – und dies ohne grosse Anstrengungen für alle Beteiligten.

Mich hat Marte Meo überzeugt, weil meine Tochter viele Fortschritte gemacht hat und ich mehr Freude am Zusammenleben mit meiner Tochter spüre und weniger Belastung. Mittlerweile habe ich die Therapeuten Ausbildung abgeschlossen und bin nun an der Supervisoren Ausbildung und kann so Marte Meo Eltern und Fachpersonen beibringen mit dem Ziel auch ihren Alltag zu erleichtern.

Eva Zurlinden